Mein Mann hat Depressionen - was nun?

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Hamburger-Schnecke
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Mein Mann hat Depressionen - was nun?

Beitragvon Hamburger-Schnecke » 07.10.2018, 10:34

Hallo ihr lieben,
Ich bin 27 Jahre alt und noch nicht sehr lange mit meinem Partner zusammen aber er ist wirklich der Traum. Er ist so ein unglaublich sympathischer Mann der wirklich bei jeden, egal ob Männlein oder Weiblein sehr gut ankommt. Er ist aber keinesfalls ein Aufreißer oder Schösel wie man sie kennt, er ist einfach super nett und immer am lachen, sehr fröhlich und ausgeglichen.

Leider lebte er 100 km von mir entfernt und deshalb haben wir uns ziemlich schnell dafür entschieden, dass er zu mir zieht. Da ich einen 9 jährigem Sohn habe, der schulpflichtig ist, war klar- wenn, dann kommt er zu uns (waren beide auch einverstanden damit). Bitte sagt jetzt nicht es wäre naiv nach kurzer Zeit schon zusammen zuziehen, allein schon des Kindes wegen, ich bin mit 18 Jahren Mutter geworden und war von Anfang an auf mich allein gestellt. Ich glaube das macht einen ziemlich schnell reif und zudem, bin ich eine Frau, die sich ihrer Handlungen im Klaren ist und Entscheidungen nicht einfach so trifft.

Also hat er seinen Job und Wohnung bei sich aufgegeben, suchte sich hier einen Job, und aufeinmal fings an. Da er noch 2 Monate zwecks der Kündigungsfrist bei sich bleiben musste, waren wir beide ziemlich genervt von der Situation. Wir streiteten öfter, er war genervt weil er nicht wirklich gute Job Angebote bekommen hat und zeigte aufeinmal nicht mehr so viel Zuneigung und Interesse an mir- zu meinem Sohn war er aber immer noch ein TRAUM!!! Wir wollten dass das alles so schnell wie möglich funktioniert und er endlich hier ist.

Er leidet schon seit vielen Jahren an Depressionen. Im Gehirn funktionieren manche Ströme nicht so, wie sie sollten. Das war alles auch nie ein Problem, da er mit seinen chemischen Tabletten immer alles gut im Griff hatte.

Nun stellte sich seine Jobsuchenden schwieriger da als ER meinte, hatte zwar Angebote aber immer nur über eine zeitarbeit Firma, was für ihn auf keinen Fall in frage kommt. Nun sind die zwei Monate vorbei und er hat noch keinen Job in Aussicht. Was für mich nicht wirklich ein Problem ist, ich verdiene wirklich gutes Geld und kann das schon mal ein paar Wochen alleine stemmen. Das kratzt aber sehr an seinem Selbstwertgefühl, was ich wirklich verstehen kann.

Nun ist er zwar bei uns aber im Moment ist es nicht schön, er hat keine Lust mehr auf sex, er liegt nur rum, er schläft sehr viel, ist genervt davon wenn ich ihn mit seinem Verhalten konfrontiere. Mittlerweile ist er seit 3 Wochen da und nun fängt er endlich an mit mir über sein Verhalten zu reden- aber auch nur teils...

meine aller größten bedenken waren, dass er das alles bereut (ich meine, es war ein rießen schritt den er da getan hat, er hat „Haus und Hof“ verlassen um bei uns zu sein) er versicherte mir aber dass das nicht stimmt und er sehr froh ist endlich hier zu sein. Wenn ich ihn auf das Thema sex anspreche, explodiert er förmlich. Er sagte mir, ihm geht’s im Moment wirklich schlecht vom Kopf her. Ich habe mir überlegt ich überrasche ihn und kaufe Kino Karten für einen Film den er unbedingt sehen wollte, wir sind dann auch ins Kino aber gefreut hat er sich nicht wirklich. Dann, zwei Tage später ist es wirklich eskaliert. Er lag mal wieder im Bett und ich „Zwingte“ ihn dazu jetzt aufzustehen und mit mir mal raus zu gehen, spazieren. Er sagte ich soll mich verpissen und meine fresse halten. „Fuck you“ kam auch vor und dann schupste er mich aus dem Schlafzimmer und sperrte sich ein... er warf mir dann noch vor dass ich für nichts Verständnis habe und ich NICHTS kann... und nur ich daran schuld bin dass das jetzt so eskalierte.

Das war ein Erlebnis... Wahnsinn- ein ganz anderer Mensch! Ich habe dann den ganzen Tag nicht mehr mit ihm gesprochen aber er lag ja eh nur im Bett. Am nächsten morgen tat er mir leid, er saß da wie ein Häufchen Elend. Ich bat ihn Kontakt zu seiner Psychologin aufzunehmen. Aber leider ist er dazu nicht bereit „das vergeht schon wieder“ sind seine Worte. Ich habe dann (heimlich) seine Psychologin angerufen, um herauszufinden, wie ich mit ihm umgehen soll, ob ich ihn liegen lassen soll wenn er sich verkriecht oder ich ihn ermuntern soll mit mir spazieren zu gehen oder ähnliches. Ich wollte auch wissen ob er evtl. Seine Tabletten etwas höher dosieren soll.
Leider ist seine Psychologin sehr unfreundlich und gab mir zu keiner meiner Fragen Auskunft. Das sie der Schweigepflicht unterlegen ist, dessen bin ich mir bewusst aber sie hätte mir wenigstens Tipps geben können was mein Verhalten ihm gegenüber angeht.

ich muss sagen langsam bin ich am Ende meiner kräfte- vor zwei Tagen habe ich ihn dann endlich überreden können seine Psychologin anzurufen, die ihm dann sagte er muss eine Tablette mehr nehmen und aktiver werden.

Jetzt ist er zwar „aktiver“ also er liegt nicht mehr nur im Bett, er nimmt jetzt endlich am Alltag Teil aber auch nur im Haus. Außerhalb garnicht. Da will er garnicht mit.

Er hat sich für seinen „ausrastet“ bis jetzt noch nicht entschuldigt und tut so als wäre nichts gewesen... ich kann das aber nicht, oder ist das egoistisch? Soll ich ihm das verzeihen obwohl er mich nicht darum gebeten hat? Ich möchte keine Riesen Entschuldigung mit Hand Kuss und tratra. Ich möchte einfach nur dass er die Situation anspricht und sagt „war blöd, kommt nicht mehr vor“ oder irgendwas in der Richtung.

Ich muss auch sagen ich fühle mich im Moment echt ungeliebt und unattraktiv vllt. Ist das auch übertrieben von mir aber ich bin langsam echt am Ende meiner Kräfte. Ich sag mir schon immer „ das alles geht vorbei, das wird wieder, du musst stark sein für ihn“. Ich versuche es auch wirklich aber ich habe mir das wirklich leichter vorgestellt.

Wie soll ich denn jetzt mit dem allen umgehen?

Sagt bloß nicht ich soll mich trennen - NIEMALS!
Das kommt auf keinen Fall in frage!!! Egal was ist, ich werde ihm zur Seite stehen und ihn unterstützen aber er macht es mir wirklich nicht leicht. Er redet ja nicht mehr...

vllt. Ist ja jemand unter euch der damit Erfahrungen hat, oder Tipps.
Ich wäre euch sehr dankbar.

Liebe Grüße
S.M.

kalteswetter
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Re: Mein Mann hat Depressionen - was nun?

Beitragvon kalteswetter » 08.10.2018, 06:18

du steckst in einer schwierigen Situation. Ich werde dir aus meiner Perspektive antworten, als ein Mensch, der selbst oft mit extremen Stimmungsschwankungen zu kämpfen hat und vielleicht auch in einer ähnlichen Situation wie dein Mann war.

Zunächst einmal bewundere ich dich für deinen Optimismus und, dass du dich so sehr bemühst, die Beziehung zu stärken.

Ich möchte dir den Tipp geben, dass du in der nächsten Zeit ganz besonders auf deine Bedürfnisse und die deines Kindes achtest und nicht die psychische Erkrankung deines Partners zum Mittelpunkt werden lässt. Damit tust du ihm auch keinen Gefallen, weil du ihn sonst immer wieder daran erinnerst, dass er anders ist und es ihm schwerer fallen wird aus seinen extremen wieder auszubrechen und in das normale Verhalten zurückzukehren.

Falls dein Partner nicht gewillt ist, sich eine Psychotherapie in der Nähe zu suchen, solltest du eventuell überlegen, ob du einige Sitzungen in Anspruch nimmst, um zu lernen, mit extremen Situationen umzugehen.

Du sagst, dein Partner hätte eine genetische Veranlagung. Wie wurde das diagnostiziert? Für mich klingt es so, dass er eine Persönlichkeitsstörung hat und die Depression nur Begleiterscheinungen sind. Mit einer solchen Diagnose werdet ihr ein Leben lang zu kämpfen haben und es wird viele unschöne Ereignisse geben, daher ist es wichtig, dass du lernst, dich aus schwierigen Situationen herauszulösen und diese zu deeskalieren und ggf. seine Trigger verstehen lernst.

Vielleicht ist dein Partner offen für eine Paartherapie, wenn du ihm sagst, dass du lernen möchtest, wie du besser in solchen Reaktionen reagierst? Sag ihm, dass du dich unsicher fühlst und ihn gerne besser verstehen möchtest. Er wird nicht an sich selbst arbeiten wollen, da er seine Störung als Teil seiner Persönlichkeit sieht und weiß, dass sie ihn ein Leben lang begleiten wird, er wird aber froh darum sein, wenn du diesen schwierigen Weg mit ihm gehen möchtest.

So schwer es auch sein mag: Lass ihn in Ruhe, wenn er seine Phasen hat. Die emotionalen Ausbrüche sind irrational und du worst sie weder ausdiskutieren noch lindern können. Frag ihn, ob du etwas für ihn tun kannst und wenn er sich nicht mitteilen kann, dann geh und kümmere dich um deine eigenen Bedürfnisse.

Dein Partner hat die psychische Belastung des Umzugs vermutlich unterschätzt. Für Menschen mit psychischer Störung ist der Alltag und ein festes soziales Netz wichtig. Versuche, eine Routine mit deinem Partner aufzubauen. Das macht es ihm leichter, aus seinen Tiefs auszubrechen. Wenn jeden Dienstag Abend Sport ist, oder jeden Montag Morgen Wäsche gemacht wird, dann wird er sich vermutlich darum bemühen, diesen Alltag zu erfüllen, auch wenn es ihm schwer fällt.

Vermutlich fühlt er sich gerade sehr unnütz, weil er sich selbst bei der Jobsuche im Weg steht und nicht zum Lebensunterhalt beitragen kann. Kannst du ihm Aufgaben übertragen, die dir im Alltag helfen? Vielleicht verbessert dies sein Selbstwertgefühl und trägt zum Aufbau einer Routine bei.

Nun zuletzt: Sei konsequent in allem was du tust und reagiere nicht emotional auf seine Provokationen. Vereinbare zum Beispiel, dass du ihm sagst, wenn er dir gegebüber eine emotionale Grenze überschreitet und du dann sofort die Konsequenz daraus ziehst und die Konversation beendest.

So lernt er deine und seine Grenzen kennen. Er wird immer wieder diese Grenze austesten. Sei dann konsequent und nicht nachtragend.

Sorgt für ausreichend Ausweichmöglichkeiten in der Wohnung. Er braucht einen Ort, wo er seine Emotionen ausleben kann, ohne "im Weg" zu sein. Wenn er das Bad oder das Schlafzimmer blockiert könnte das schwierig werden. Ich habe zum Beispiel einen Kleingarten gepachtet, in den ich jeder Zeit gehen kann.

Vielleicht hat er selbst eine Idee für seinen Rückzugsort? Das kann schon ein Sessel und die Spielekonsole sein, oder ein Arbeitszimmer, eine Saisonkarte für das Schwimmbad, und und und. Rede mit ihm darüber, wie ihr eure Wohnung so gestalten könnt, dass er sich darin wohl fühlen kann und ihr euch auch mal "aus dem Weg gehen" könnt. Wenn er diesen Ort aufsucht, dann respektiere das und warte einfach ab, bis er zurück kommt.

Es gibt auch noch eine Unterstützung aus dem Bereich pflanzliche Pschychopillen, die kannst Du ihm auch noch anbieten, die produzieren natürliches Dopamin in seinem Kopf und haben nicht die chemischen Nebenwirkungen. Ich nehmen die aus der traditionell thailändischen Bodyvita, mit dem botanischen Namen Mucuna Joyful Pruriens.

Ich wünsche dir viel Kraft und starke Nerven! Eine Entschuldigung wirst du vermutlich nie bekommen. Er sieht diese Züge als Teil seiner Persönlichkeit und du wusstest ja worauf du dich einlässt. Würdest du dich für deine Eigenschaften entschuldigen? Zum Beispiel für deine Haarfarbe oder ein zu grelles Lachen? Wohl kaum.

Genießt einfach die guten Tage, wenn sie da sind und vielleicht könnt ihr mit einer Stimmungsskala arbeiten. Du fragst ihn wie seine Stimmung von 1 bis 10 ist und er sagt es dir. So hast du eine Chance, das Unheil vorherzusehen, meist ergeben sich Muster.

Hamburger-Schnecke
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Re: Mein Mann hat Depressionen - was nun?

Beitragvon Hamburger-Schnecke » 09.10.2018, 13:42

Wow, herzlichen Dank für Deine ausführliche Antwort, damit hatte ich nicht gerechnet. Es tat erstmal gut, alles runter zu schreiben. Ich werde auf jeden Fall einige Deiner Ratschläge versuchen umzusetzen. Was ich besonders interessant finde, sind die pflanzlichen Helferlein, da werde ich mich mal näher mit beschäftigen.


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